3. – 5. Juni 2016
Vom 03. bis 05.06.2016 flogen wir, Matthias (Vorsitzender des SPV Meißen e. V.) und Alla Cotta (Koordinatorin der Projekte mit Vitry-sur-Seine), zusammen mit 2 Vertretern der Stadt Meißen auf Einladung der Stadt Vitry-sur-Seine zum jährlichen Stadtfest „Fliederfest“ nach Vitry-sur-Seine. Am 03.06. am Abend in Paris-Orly angekommen wurden wir von Josef von der Brügge begrüßt (alle Teilnehmer des Familienaustausches kennen den deutschstämmigen Josef ebenfalls als Teilnehmer der ersten Stunde von Vitry) und nach Vitry ins sogenannte „Schwanenhaus“ gebracht. Das Schwanenhaus ist eine schöne Villa im Zentrum der Stadt, aber versteckt hinter den großen alten Bäumen und umgeben von einer hohen Mauer, so dass man das Haus von der Straße nicht sofort bemerkt. Der Name kommt von der Schwanengestaltung, die die Fassade des Hauses schmückt.
Wir haben unser Zimmer bezogen, danach wurden wir in einen Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss eingeladen, wo bereits Vertreter der englischen Partnerstadt Burnley (der Bürgermeister mit seiner Frau) und französische Betreuer von der Stadt und vom Comités de Jumelage anwesend waren. Bei dieser Gelegenheit haben wir Alain Ouannes von der Stadt (er sprach etwas Deutsch) und Adrian Heath (aus Vitry, aber gebürtiger Engländer) von Jumelage kennengelernt, der mit seiner französischen Frau Geneviève (zweimalige Teilnehmerin des Familienaustausches mit Meißen) englische Gäste betreute. Es gab eine Kennenlernrunde und eine kurze Unterhaltung.
Danach wurden wir zum Abendbrot in eine Gaststätte unweit vom Marktplatz eingeladen. Dort erwarteten uns offizielle Vertreter der Stadt Vitry (einige Stadträte) und Vorstandsmitglieder vom Comité de Jumelage. Die Atmosphäre war sehr freundlich, auch seitens der sonst anwesenden Gaststättengäste. Einige, nachdem sie mitbekommen haben, dass wir aus Deutschland sind, versuchten uns auf Deutsch zu begrüßen. Wir saßen gegenüber von Alain, unserem Betreuer, und das war die Zeit, wo man sehr gut miteinander ins Gespräch kommen konnte. Alain hat im Laufe des Gesprächs (er bekundete ein sehr großes Interesse an der deutschen Sprache und an der Weiterentwicklung unserer partnerschaftlichen Beziehungen) zwei interessante Vorschläge gemacht. Er könnte sich vorstellen (um Bürgern beider Städte die Partnerschaft näher zu bringen), dass man auf der städtischen Site wöchentlich kurze News aus der Partnerstadt veröffentlicht. Dafür braucht man selbstverständlich regulären Austausch an Informationen in der bereits passenden Sprache. Anders gesagt, dass sich z. B. die Presseabteilungen beider Städte jede Woche Informationen zukommen lassen, die dann brandaktuell auf der städtischen Site unter „Städtepartnerschaften“ veröffentlicht werden können. Und dann reflektierte er, dass es schön wäre, eine Plattform zu schaffen, wo Kommunikation zwischen Bürgern gepflegt werden kann: aus Interesse an der jeweiligen Sprache oder mit dem Wunsche eine Freundschaft zu knüpfen, nach Frankreich/Deutschland zu kommen usw. Mit heutiger Technik wäre so was in schriftlicher und mündlicher Form möglich (da diese Vorschläge eher die Stadt oder in erster Linie die Stadt betreffen, haben wir sie Anfang Juli ausformuliert und an die Stadtverwaltung geschickt). Spät kamen wir wieder zurück in unsere Unterkunft.
Am nächsten Tag am Samstagvormittag hatten wir einen Spaziergang durch die Stadt gemacht. Das erste, was uns aufgefallen war, war eine große Baustelle unweit von unserer Unterkunft, also direkt im Zentrum der Stadt. Das sind die Anfänge der zukünftigen U-Bahn-Station, die 2020 Vitry direkt mit Paris verbinden wird. Das ist der neue U-Bahnkreis, der großzügig durch die Vororte von Paris unter dem Namen „Nouveau Grand Paris“ (Neues Großes Paris) entstehen soll. Weiter erlebten wir das bunte Markttreiben auf dem zentralen Platz neben der Kirche, was eine Symbiose aus europäischen und orientalischen Waren und Traditionen ist. Da in der Stadt Vitry viele vor allem Einwandererfamilien ein niedriges Einkommen haben, profitieren sie von relativ niedrigen Preisen der Markthändler. Auf diesem Markt kann man alles bekommen angefangen von unterschiedlichen traditionellen Lebensmitteln (auch Austern und Co.) bis hin zu orientalischen Tüchern und Schmuck. Bloß auf die eigene Tasche muss man dabei aufpassen, so war der Ratschlag von Alain. Unterwegs in unterschiedlichen städtischen „Quartiers“ wurde uns die sogenannte „Street-Art“ gezeigt, wofür Vitry so berühmt ist und deren Künstler von der Stadtverwaltung gefördert und unterstützt werden. Alain erzählte uns, dass Leute, oft Familien mit Kindern, an Wochenenden sogar von außerhalb kommen, um diese Wandmalereien zu erleben. Man muss hinzufügen, dass diese Kunst kurzlebig ist. Die Bilder werden nach einer bestimmten Zeit mit neuen Bildern übermalt.
Die Mittagszeit (ich wage nicht zu sagen, dass wir nur zu Mittag gegessen haben, das wäre viel zu eng ausgedrückt) verbrachten wir im Restaurant des Museums für die moderne Kunst „Macval“. Vitry-sur-Seine profilierte sich zur Stadt der modernen Kunst. Wir genossen ein schönes Essen à la carte, sehr gute Bedienung und eine wunderbare Unterhaltung mit englischen Kollegen (inwieweit unsere Englischkenntnisse und mein elektronisches Wörterbuch und das Lexikon das zuließen). Adrian half uns natürlich sehr dabei. Es ging um das bevorstehende Referendum (am 23.06.) in England, um den Krieg der Weißen (Grafschaft Lancashire, wo Burnley liegt) und Roten Rose (Grafschaft Yorkshire) im 15 Jh. (die Rosen schmücken bis heute noch die Wappen der jeweiligen Grafschaften), auch um die Stadt Burnlay selbst, was sehr schön sein soll (zur Info: Burnley ist eine Stadt im gleichnamigen Bezirk im Nord-Westen Englands und liegt am Leeds-Liverpool-Kanal. Die Einwohnerzahl beträgt etwa 89.500).
Nach der „Mittagspause“, die sehr großzügig war, hatten wir Freizeit. Wir gingen mit Adrian durch die Stadt zu seinem Haus, das mehr oder weniger auf dem „Plateau“ liegt (eine großflächige Erhebung in Vitry, die als „Plateau“ bezeichnet wird). Von dort schaut man auf das Zentrum von Vitry, das wie im Tal liegt. Wieder von oben nach unten steigend und in unserer Unterkunft ankommend, zogen wir uns um, da am Abend der Bürgermeisterempfang auf dem Programm stand.
Es ist wichtig die allgemeine Situation an der Seine zu der Zeit zu erwähnen, und dass alles in Frankreich unter dem Zeichen des Hochwassers stand. Man fieberte mit, wie hoch das Wasser noch kommt. Besonders kleine Städte waren von der Gefahr betroffen, nicht nur an der Seine, sondern auch an den anderen Flüssen. Es hat vorher einfach viel zu viel und viel zu lange geregnet. Aber die Natur hat gerade am jenem Wochenende den Vitrioten ein schönes regenfreies Wetter zum Feiern beschert!
Wir wussten, dass letztes Jahr in Vitry, nachdem der Bürgermeister Audoubert vorzeitig zurückgetreten war, ein neuer Bürgermeister gewählt worden ist, Herr Kennedy. Vom Aussehen her war er uns unbekannt. Nun waren alle unten im Schwanenhaus versammelt (der Empfang sollte dort stattfinden) und warteten auf den Bürgermeister. In einem Moment trat ein Herr, gekleidet in einer regenfesten Weste, herein in Begleitung einer Dame, die ich von ihrem Besuch in Meißen her als Vertreterin des Bürgermeisters kannte. In diesem Moment erahnte ich, das muss der Bürgermeister selbst sein. Das war er auch. Sehr einfach und umgänglich. Alle wurden ihm vorgestellt. Er hielt eine kleine Ansprache, erwähnte das Hochwasser, was viele Pläne auf den Kopf gestellt hat und die Handlungspriorität setzte. Nach dem Austausch von Geschenken (jeder bekam eine Flasche Wein und ein Fliederfest-T-Shirt mit Wassermotiv) wurden alle Gäste zum Tisch gebeten. Ich hatte die Ehre neben dem Bürgermeister zu sitzen und mich mit ihm gelegentlich zu unterhalten. Er interessierte sich sehr für die Porzellanmanufaktur, fragte, wie die traditionsreiche Produktion es schafft, im großen Angebot weiter bestehen zu bleiben. Zum Glück war ich gut informiert und konnte seine Fragen beantworten. Natürlich war uns ein Thema gemein – das Hochwasser. Am Ende des Essens überreichten uns die Engländer auch Geschenke: ein Heft, ein Abzeichen und Manchettenknöpfe mit dem Wappen von Burnlay. Wir hatten zum Glück noch ein Stück Seife in Form vom Buchstabenstein, den haben wir den Engländern geschenkt. Ein paar Prospekte auf Englisch über Meißen wären natürlich auch sehr nützlich gewesen, aber wir hatten keine mit…
Nach dem reichhaltigen Mal (traditionell französisch mit Käse und Petit-fours – kleinen Törtchen und anschließendem Espresso) wurden wir zum Festgelände geleitet, wo der Höhepunkt des Festes – ein Konzert – bereits lief (alle Angebote sind kostenlos). Wir kamen zur Bühne von der Seite, mit Absperrungen vom sämtlichen Publikum getrennt. Ich sehe einen elegant gekleideten älteren Interpret auf der Bühne, höre die Stimme und mir kommt das so bekannt vor. Ich sage jemandem von den Franzosen: „Dieser Sänger singt wie Adamo (ein ganz berühmter belgischer Sänger der 60-er, 70-er und 80-er, also aus meiner Jugend) und derjenige antwortet mir: „Das ist Adamo.“ Ich dachte, das ist ein Witz, aber das war er tatsächlich. Für mich – eine Legende! Jedenfalls war das ein tolles Konzert, weil ich viele Titel erkannte, viele waren natürlich später komponiert, also neu für mich. Ich glaubte immer noch meinen Augen und meinen Ohren nicht. Zum Ende des Konzertes sagte eine Stadträtin, dass der Bürgermeister eine kleine Überraschung vorbereitet hat. Wir sollten zum „Aperitif“ in einen Nebenraum kommen. Wir kamen, und einige Zeit später erschien dort Adamo persönlich. Ich konnte sogar mit ihm reden und ein Autogramm bekommen! Dies war die versprochene Überraschung!
Dieser Abend endete weit nach Mitternacht. Am nächsten Tag waren wir im Park auf dem Ausstellungsgelände, wo sich Vereine von Vitry präsentierten und wo auch eine Bühne für kulturelle Beiträge aufgebaut war. Das Thema der Hauptausstellung im Hauptzelt war „80 Jahre bezahlter Urlaub“. Zur Eröffnung der Ausstellung versammelten sich alle, die „Rang und Namen“ hatten, einschließlich Bürgermeister. Er hat über diese politische Errungenschaft gesprochen, die auch heute nicht so selbstverständlich ist, und damals – umso mehr. Wir waren sehr stolz darauf, dass wir schon so viele Gesichter aus früheren Begegnungen in Meißen und Vitry kannten, die uns herzlich grüßten. Unsere Vereinskameraden Jürgen und Jaqueline Reiß, die privat angereist sind und bei ihren französischen Freunden untergebracht waren, waren auch dabei. Dann ging es ins nächste Zelt zur nächsten Ausstellung, diesmal eine Fotoausstellung, die ein Schülerteam anlässlich des 80. Jahrestages des amerikanischen Atombombenwurfs auf Hiroshima und Nagasaki organisiert hatte. Die Schüler waren persönlich in Hiroshima und haben dort diese Fotos gemacht und mit Überlebenden gesprochen. Das war eine erschütternde Schau.
Nach dem Mittagessen am spanischen Stand (natürlich Paella!), was auch von der Stadtverwaltung organisiert wurde, gingen wir zum Stand des Comités de Jumelage um unsere Freunde zu begrüßen und uns mit Verantwortlichen zu treffen. Das Comité hat einen neuen Vorsitzenden, den haben wir persönlich kennengelernt und über unsere Projekte gesprochen, unter anderem über das Programm des diesjährigen Familienaustausches, der im Oktober in Vitry stattfinden soll. Wir besprachen auch die Möglichkeit eines trilateralen Projektes: Vitry-Burnlay-Meißen mit Wanderern. Nächstes Jahr findet das Treffen von Wanderern aus beiden Städten in Vitry statt, denen sich auch unser Verein anschließen könnte, wenn sich alle Seiten im Voraus entsprechend absprechen. Nach Vitry ginge dann die Stafette in den folgenden Jahren nach Burnley und schließlich nach Meißen.
Wir haben den Standbetreuer unsere Geschenke überreicht: Meißner Wein für Weinproben am Stand, Bonbons „Meißner Kieselsteine“, Meißner Schokoladentaler und Anhänger mit dem Buchstabenstein für die Standbetreuer (natürlich mit der Erklärung der Geschichte und entsprechenden Bildern) – alles zur Popularisierung unserer Stadt. Wir waren sehr von der Vorstellung von Partnerstädten am Stand angetan: in einer grafischen Manier mit schönen lockeren Bildern und Untertiteln dazu. Natürlich haben wir auch Meißner Prospekte in französischer Sprache mitgebracht und dort ausgelegt.
Nach diesen Gesprächen ging es zum nächsten Punkt – nämlich zum Festumzug – auf die Hauptstraße von Vitry. Der Festumzug hat in Vitry eine andere Spezifik. Es ist viel Musik und Tanz verschiedener Kulturen zu erleben. Farbenfroh geschmückte Wagen und dazwischen z. B. Eine herrliche Persiflage auf den Gendarmen von St. Tropez.
Danach kehrten wir in unsere Unterkunft zurück und verabschiedeten Herrn Friedel und Herrn Schuster von der Stadtverwaltung, die am Sonntag wieder zurückflogen. Wir nahmen Abschied auch von den Engländern, die erst am nächsten Tag abreisen sollten und ließen uns von Josef mit all unseren Sachen zu einer Freundin in Vitry (aus dem Familienaustausch) bringen, bei der wir noch privat ein paar Tage blieben.
Das schöne Wetter kehrte endgültig zurück und schenkte uns noch schöne Stunden in Paris und Umgebung!